Stille

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Allgemein wird Stille wohl als Abwesenheit von Geräuschen definiert, verbunden meist mit einem positiven Grundgefühl wie Fehlen von Lärm, erholsame Ruhe usw. Zwar gibt es auch Begriffe wie „gespenstische Stille" , „Totenstille" und ähnliche mit einem eher negativen Gefühl verbunden, und es gibt auch die „absolute Stille" im isolierten Wassertank bei völligem Fehlen irgendwelcher Außenreize – hier aber geht es mir nur um die eigene, innere Stille, die Stille, die Du von Zeit zu Zeit brauchst, um zu Dir (zurück) zu finden.

Unser Alltagsleben ist voll von Dingen, die auf uns eindringen und die Stress erzeugen. Eines davon ist Lärm - also als störend empfundene Geräusche - der nicht abschaltbar ist. Besonders betroffen davon sind die Menschen in Ballungsräumen. Hier treffen viele ständig Geräusche Produzierende zusammen: Menschen, Maschinen, Autos, Flugzeuge, Schiffe usw.... Auch an relativ ruhigen Stellen in einer Großstadt gibt es immer eine permanente Geräuschkulisse. Zeitweise kann unser Gehirn sie „ignorieren", wird sich ihrer jedoch durch Geräuschspitzen ( kreischende Bremsen, lautes Hupen usw.) immer wieder bewusst.
Eine ruhige Umgebung hingegen unterstützt unsere Konzentrationsfähigkeit und damit unsere Leistungsfähigkeit und unser Wohlbefinden nur: Woher kriegen ?

Auf äußere Bedingungen in diesem Zusammenhang haben wir oftmals keinen Einfluss.
Und selbst in der Freizeit scheinen Lärm und Hektik normal und viele Menschen haben sich dem schon völlig angepasst:
Du sitzt im Kino. Der Film ist zu Ende und der Abspann beginnt. Fast alle Menschen stehen auf und drängen zum Ausgang, obwohl der Abspann und die Musik noch laufen. Dafür haben sie auch bezahlt und – er ist Teil des Films. Die Menschen aber nutzen nicht die Chance, das Erlebnis „Film" ruhig aus- und nachklingen zu lassen, sondern eilen nach draußen, um als Erster den Bus, das Taxi, den eigenen Wagen oder den Platz im Restaurant zu finden. Noch schlimmer im Fernsehen: Da gibt es keinen Nachspann mehr, sondern in den Ausklang des Filmes wird schon laute Werbung oder die Vorschau für den nächsten Film „gedonnert" . Wir gönnen uns selber keine Sekunde der Ruhe. Warum nicht sitzenbleiben nach dem Film, den Abspann sehen und mit der Musik langsam wieder ins hier und heute zurückkommen ? Warum nicht nach einem schönen Fernsehfilm die Kiste abschalten und die erlebten Emotionen nach- und ausklingen lassen ?
Solche kleinen Augenblicke von Stille könnten wir uns schon leisten.

Eine andere Idee:
Du hast ein Gedächtnis, und ab und zu hast Du Freizeit.
In Deiner Freizeit kannst Du Stille finden, dieses Erlebnis von Stille in Deinem Gedächtnis bewahren und bei Bedarf wieder abrufen.
Du sitzt in einer Bibliothek und liest Dich ungestört in andere Welten - Du stehst in einer großen Kirche und hörst minutenlang kein einziges Geräusch – Du liegst in einer Düne im sonnenwarmen Sand und lautlos streicht ein zarter Wind über Deine Haut – Du segelst über offene See und nur der Bug gibt leise Laut beim Schneiden durch die Wellen - solche Momente gibt es in Deinem Gedächtnis, solche Momente sind groß und stark, solche Momente können Dir auch später in der Erinnerung noch Zuversicht und Kraft spenden – lass es nur zu !

Aber wenn ich mitten im Arbeitsstress bin – wie soll das gehen ?
Das Erinnern an einen schönen Moment dauert den Bruchteil einer Sekunde und ist von außen nicht zu sehen.
Und wenn es trotzdem nicht funktioniert ?
Warum heißt der WC auch „stilles Örtchen" ? Notfalls nimm Dir dort ein paar Minuten Auszeit.

Stille ist auch ein wichtiges Mittel in der Kommunikation.
Beobachte mal gute Redner, Künstler, Musiker: Es sind die Pausen, die wichtige Akzente setzen !
Mit Hilfe einer kurzen Stille wird die Bedeutsamkeit des Folgenden betont, wird die Aufmerksamkeit des Hörers gesteigert ( „....und den ersten Platz hat erreicht.....PAUSE.....").

Vielleicht ist „Stille" auch viel weiter zu fassen:
Im Weltall gibt es ( entgegen falschen Darstellungen in SF-Filmen ) keine Geräusche, weil die Luft als Medium zur Übertragung fehlt. Dort herrscht wirklich Stille. Und in dieser Stille schwebt „unsere" Galaxis, „unser" Sonnensystem, „unsere" Erde und wir. Nur: Wir schweben etwas laut !
Also brauchten wir nur die Luft rauszulassen und es herrschte endlich Ruhe ?! Genau – und wir wären tot.
Aber im Ernst: Vielleicht ist „Stille" zu verstehen als allumfassende Möglichkeit, in der etwas entstehen kann. Wenn Du es schaffst, Deinen Geist zu leeren, frei zu machen von Gedanken, die Dich nachher wieder beschäftigen werden, für einen Moment Dich zu öffnen und nur zu lauschen, ganz Wahrnehmung zu sein, dann kann das so ein Moment werden, an den Du Dich gerne erinnern wirst, der Dir Ruhe speichert und der manchmal auch zu ganz neuen Ideen führt.
Und solche stillen Momente sind ja möglich !

Hilfsmittel, um Stille zu finden, sind sicher auch Religion, Meditation, autogenes Training und Kontemplation.

Und nicht zu vergessen: Humor !
Ich habe mal gehört, daß das Marketing der Stille eine konsumhemmende Wirkung nachsage und deshalb in Läden durch Hintergrundmusik zum Konsum motiviert werden solle.
AHA ! : Stille hilft gegen Manipulation ! Ein Grund mehr, sie zu suchen !

Wenn in Zukunft jemand zu Dir sagt: „Sei still !", dann sehe darin keinen Tadel Deines Verhaltens sondern sei dankbar für die Erinnerung daran, einmal wieder in Dich selbst hinein zu hören.

Und nimm Rücksicht auf Andere. Stille ist ein kostbares Gut !

Mein Lieblingsspot: Zwei Männer sitzen in der Abendsonne auf einer Bank und trinken ein Bier. Nach einer halben Stunde sagt der erste:"Jou." Gedankenschwer blicken sie weiter in die Ferne. Von Zeit zu Zeit nehmen sie einen Schluck aus der Flasche. Eine weitere halbe Stunde später sagt der zweite: „Jou jou." Schließlich geht die Sonne langsam unter, die Männer erheben sich und gehen nach Hause.
Bevor sie sich trennen, sagt der erste zum zweiten: „Und nächstes Mal schnacks´t nich´so viel !"

Dieses Bild und das Wissen, daß solche Situationen möglich sind, beruhigt in Streßsituationen und erlaubt Dir manchmal ein inneres Schmunzeln !
Sogar einige Fernsehleute zeigen Stille: Tonlose langsame Kamerafahrten auf ein Gesicht zu bei ARTE oder kleine Sendepausen mit stehenden Bildern sind Beispiele dafür.

Stille ist eine der wertvollsten Erfahrungen, die wir haben können.