Tod

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SchwachSuper 

Ein nahes Familienmitglied  ist gestorben.
Nun habe ich zum ersten Mal den Tod eines mir nahen Menschen erlebt, und gleichzeitig den Unterschied zwischen theoretischen Überlegungen zu diesem Thema und der Praxis:
In der Theorie sagst du dir, der Gestorbene ist erlöst von Leiden, hat ein langes Leben hinter sich gebracht und seine Ruhe gefunden.
In der Praxis bist du betroffen und weinst...

Woher aber kommt deine Betroffenheit ?
Der Tote hat doch alles hinter sich, hat es jetzt vielleicht besser, und ob du betroffen bist oder nicht kann ihm völlig egal sein.
Du fühlst Verlust, einen Verlust für dich, eine Leere.Aber ist das nicht nur ein egozentrisches

Gefühl nach dem Motto:
Warum passiert das MIR ? Warum wird MIR so etwas angetan ?
Mal angenommen, es gibt irgendeine Art von Existenz auch nach dem Tod:
Aus Sicht des Gestorbenen müßte ich doch annehmen, daß er - neben einer Traurigkeit darüber, daß er nun von seinen Lieben getrennt ist - auch eine Art Erleichterung empfindet, weil er nun Krankheit, Alter und Leiden des irdischen Lebens hinter sich hat, weil ihm - wie die Buddhisten glauben - nun ein weiterer Schritt zur Vervollkommnung seiner Seele möglich wird und er einen Schritt mehr der Bewährung hinter sich hat.
Aus dieser Sicht müßte ich mich doch für den Verstorbenen freuen und ihm Glück wünschen für seinen weiteren Weg ( in einigen Kulturen ist der Tod eines Menschen ja auch Anlass zum Feiern, und vielleicht ist das obligatorische Essen nach der Trauerfeier in unserer Kultur ein Relikt davon).
Dann wäre die Betroffenheit, die du empfindest, eigentlich vergleichbar mit der des Kindes, dem eines seiner Lieblingsspielzeuge weggenommen wird, nicht aber die Reaktion eines reifen Erwachsenen !

Ich glaube, wenn wir ( nach einigen Tagen des berechtigten Kummers) es nicht schaffen, uns aus unserer Trauer um den Verstorbenen zu lösen und unser eigenes Leben wieder in die Hand zu nehmen dieser Umstand nur zeigt, daß wir noch keine gereifte Persönlichkeit sind und noch viel zu lernen
haben.
Ein in sich stabiler und gefestigter Mensch wird wohl nach kurzer Trauer sein Leben wieder in die Hand nehmen wissend, daß der Verstorbene nur seinen Körper verlassen hat, im Geiste aber bei uns bleibt.
Der Körper, der viel hat ertragen müssen, ist aus unseren Reihen geschieden, die Seele sieht neuen Abenteuern entgegen und die Erinnerung bleibt !

Zitat:

"Wenn wir annehmen, dass es die Seele ist, die Leben in den Körper haucht,   und nicht umgekehrt der Körper Leben entstehen läßt, dann müssen wir auch einen Schritt weitergehen und daraus schliessen, daß die Seele ohne den Körper existieren kann und bereits existierte, ehe sie in ihre   gegenwärtige Hülle eintrat, und daß sie möglicherweise darüber hinaus schon mehrere solcher Leben geführt hat."
  ( aus Jussek, Begegnungen mit dem Weisen in uns, Goldmann Verlag 1992)

Zu einem vergleichbaren Ergebnis scheint mir der christliche Glaube zu kommen:
Folgendes hat mein Opa zu diesem Thema geschrieben, und obwohl er kaum zur Kirche ging, hatte er doch tief christliche Ansichten : (Zitat):

                    Das Sakrament des Sterbens

Einmal kommt an uns die Stunde, da wir von dieser Erde wieder abberufen werden. An diesen Augenblick zu denken wird von den meisten Menschen gern beiseite geschoben. Und doch kann ihn niemand vermeiden. Keiner weiß die Stunde, aber daß sie kommt, weiß jeder. Es ist ewiges Gesetz Gottes, daß der Abschluß unseres Daseins damit enden muß, daß das, was zu dieser Erde gehört, wieder ausgezogen wird, hier bleiben muß als Bestandteil dieser Erde und dieses Sterns. Das ist der irdische Verlauf.
Der Glaube aber weiß mehr. Er weiß, daß die Seele weiterbesteht, daß sie in einem anderen Lande weiterleben wird. Darum das Wort Heiliger Schrift:
" Leben wir, so leben wir dem Herr, sterben wir, so sterben wir dem Herrn " (Röm.,14,8 )

Schon ehe wir diese Erde betreten, war unsere Seele da. Nur um hier leben zu können, erhielt sie eine Fleischeshülle. Ist der Zweck erfüllt, so wird diese überflüssig. Ja, wir waren da, ehe wir hier auf dieser Welt lebten. Darum heißt es im 90. Psalm:
" Der Du die Menschen läßest sterben und sprichst:
Kommt wieder Menschenkinder " oder aber " Denn der Staub muß wieder zu der Erde kommen wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat " ( Pred.,12,7)

Nicht nur das alte Testament lehrt so, sondern auch das Neue.
Als der Heiland am Kreuze hing, verhieß er dem einen Schächer, der da bereute und erkannte: " Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein !"
Das Paradies, das jenseits des Todes lag. Davon sprach der Herr in der Todesstunde.
Welch ein Glück, welch ein Trost, welch eine Freude mag dieses Wort in dem Herzen des Schächers hervorgerufen haben ! Diese Worte der Wahrheit haben Kraft und sind kein leeres Gerede. Sie hüllen die Seele in diese Kraft ein, so daß sie sich geborgen fühlt.
Darum schreibt die Offenbarung St. Johannis:
" Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an."
" Ja, der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit, denn ihre Werke folgen ihnen nach "( Offbg.St. Joh. 14,13).

Nur in dieser Kraft, in dieser Gottverbundenheit ist es möglich, daß man seine Todesstunde getrost durchmacht.
Ja, es soll dahin kommen, wie unser Meister sagt, daß ein so festes Wissen über die geistige Heimat in unserer Seele verankert ist, daß wir uns freuen, wieder nach Hause zu kommen und daß unsere Angehörigen davon wissen uns sich mit uns freuen, wenn wieder ein Menschenkind nach Hause
gehen kann. Keine Furcht mehr, keine Ungewißheit, sondern die Gewißheit, daß es mit allem Drückenden und Lastenden, was auf dieser Welt nie fehlte, ein Ende hat.
In solcher Stunde wendet man sich an Gott und bittet um Kraft, daß Er uns an seinem Strom sicher hinübergeleite. Wenn wir dann das Heilige Abendmahl nehmen, dann wird uns die Kraft des Sakramentes sicher hinübergeleiten durch den Glauben in ein lichteres Land, wo wir das alles erkennen werden, was wir hier glauben durften.
Der Heiland hat uns im Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus ein Bild gezeichnet, wie die Seele des Lazarus von den Engeln in Abrahams Schoß getragen wird (Lucas 16,12).
Die Geistfreunde aus den jenseitigen lichten Spähren holen eine gläubige Seele heim und sind in der Stunde des Abscheidens versammelt, um ihr die Hand zu reichen und sie in die Ewigkeit hinüberzuführen.
Das ist die Gnadengabe oder das Sakrament des Sterbens.

So müssen wir lernen, über den Tod zu denken.
Nicht Ende, nicht Auflösung, sondern Wanderung vom Diesseits zum Jenseits, Abschied von der Zeitlichkeit und Eingang in die Ewigkeit. In diesem Geiste müssen wir den Sterbenden helfen, indem wir im Wissen um diese Dinge seine Gedanken auf diesen Weg führen, damit er sich vom Irdischen lösen und hinübergehen kann und die Todesfurcht überwindet.
( Zitat Ende )

Wenn ich also aus zwei recht verschiedenen Blickwinkeln zu vergleichbaren Ergebnissen komme, sind diese vielleicht gar nicht falsch.

Ergänzung:
Gerade ( August 2011 ) habe ich von zwei Personen unabhängig voneinander Berichte über Nahtoderfahrungen erhalten. Beide wurden reanimiert und berichten, dass sie sich sehr wohlgefühlt hätten - entspannt wie in einer warmen Flüssigkeit -  und gar nicht mehr zurück wollten.
Vielleicht ist Angst vor dem Tod wirklich verkehrt ?
Oder anders gesagt:
Der Tod ist furchtbar nur für Hinterbliebene.