Relativität ( im sprachlichen Sinne )

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Geschrieben von Winni
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Relativität ( im sprachlichen Sinne )

 

Hier will ich nicht über die Relativitätstheorie nachdenken, nach der einem System mit der Masse m sich auch im unbewegten Zustand eine Energie E zuordnen lässt, und zwar nach e = m mal c quadrat, wobei c die Geschwindigkeit des Lichtes ist.

Mich interessiert der Begriff Relativität im sprachlichen Sinne – wie gebrauchen wir ihn ?
Wenn Du z.B. sagst „ich fühle mich relativ schlecht!" – was bedeutet das für Dich, was für Andere ?

Wie bei jedem Satz, in dem „relativ" vorkommt, kann er so viele Bedeutungen haben, wie Menschen ihn hören/aussprechen, weil „relativ" immer einen Bezug voraussetzt – relativ zu was ? - und dieser Bezug kann bei Jedem anders sein.

Für Alle bedeutet er wohl zunächst einmal, der ihn Aussprechende fühlt sich schlecht, also weniger gut als in seinem Normalzustand. Und das scheint mir schon ein wichtiger Punkt: In SEINEM Normalzustand !
Wenn Du gesund bist und reich, und Du fühlst Dich „relativ schlecht", weil Du Kopfschmerzen hast, dann ist Dein Normalzustand ein völlig anderer als bei Jemandem, der mit offenen Geschwüren an den Beinen obdachlos unter einer zugigen Brücke lebt und sich dort wegen Kopfschmerzen „relativ schlecht" fühlt.
Für den Einen ist ein Leben im Überfluss der Normalzustand, für den Anderen der Platz unter der Brücke.
Der Eine schluckt eine Tablette gegen die Kopfschmerzen, der Andere muss warten, ob sie von selbst wieder verschwinden, denn er hat kein Geld und keine Krankenkasse....
Für den Ersten bedeutet „relativ schlecht" eine vorübergehende kleine Unpässlichkeit, für den Zweiten eine zusätzliche Folter, deren Dauer nicht absehbar ist.

Wenn Du also nachempfinden willst, wie mehr oder weniger schlecht es diesen beiden wirklich geht, brauchst Du die Kenntnis ihrer persönlichen Bezugsrahmen, ihres „Normalzustandes ". Erzählt Dir ein Dritter von den beiden Kopfschmerzpatienten, ohne dass Du deren Bezugsrahmen kennst, wirst Du ihre Lage nicht wirklich beurteilen können.

Was aber ist bei Aussagen, die nicht auf eine einzelne Person bezogen sind wie zB: der Satz:
Heute ist es relativ dunkel ?
Für Jemanden mit lichtempfindlichen Augen kann es noch so hell sein, dass er die Sonnenbrille aufbehalten muss, und für den Urlauber, der die letzte Stunde im Flieger über den Wolken in den Sonnenuntergang geblickt hat, ist es fast Nacht.
Auch hier zeigt sich: Der Begriff „relativ" braucht, um richtig verstanden zu werden, immer einen Bezug. Und dieser Bezug muss für alle Beteiligten identisch sein, sonst sind Missverständnisse vorprogrammiert !

Eine solche vollkommene Gleichheit in der Vorstellung aller Beteiligter bei Verwendung des Begriffes „relativ" in einem Satz ist praktisch unmöglich es sei denn, derjenige, der den Satz formuliert, hängt noch eine ellenlange Erklärung hinten dran.
Aber vielleicht genügt es ja im sprachlichen Umgang miteinander, diese „Unschärfe" des Begriffes „relativ" in Kauf zu nehmen, weil die Vorstellungen der Beteiligten meist wenigstens grob übereinstimmen.

Wenn ich sage, „ich fühle mich relativ schlecht", versteht mein Gegenüber jedenfalls, daß es mir subjektiv nicht gut geht, unabhängig von meinem Bezugssystem. Dann kann ich doch das „relativ" auch weglassen ?
Und wenn ich statt „ heute ist es relativ dunkel" sage, „ heute finde ich es recht dunkel", ist auch keine Klärung eines Bezugssystems nötig.
Ist also der Begriff „relativ" in diesen sprachlichen Zusammenhängen überflüssig ? Sollten wir ihn vermeiden ?

Ich finde kein Beispiel, wo für das Verstehen eines Satzes der Begriff „relativ" zwingend erforderlich wäre, dafür aber jede Menge Beispiele, wo ich „relativ" weglassen würde ( das ist relativ harmlos, ich bin relativ hungrig, mein Auto ist relativ leise usw...).
Ganz sicher gilt das für folgendes Beispiel:
Wie fühlst Du Dich, wenn jemand zu Dir sagt: „Ich finde Dich relativ nett" ?

Nach diesen Beispielen scheint „relativ" nicht zur Klarheit einer Aussage beizutragen.

Ganz im Gegenteil führt die Verwendung dieses Begriffes eher zu Miß- oder Unverständnis und zur Notwendigkeit, nachzufragen: „ Was meinst Du mit relativ ?"

Denn im Grunde ist ja Alles relativ = in Bezug zu irgendetwas.
Es gibt nichts „Absolutes", nichts völlig Bezugloses.
Woraus (als Ausnahme) folgt:

Das einzig Absolute ist die Relativität ! ( Schmunzel ! )

Und wenn ich die Relativität in Bezug auf die Zeit erklären soll, finde ich immer wieder sehr einleuchtend das Beispiel, es kommt darauf an, auf welcher Seite der Toilettentür Du Dich befindest:

Klobesetzt

                                             Links läuft die Zeit langsam, rechts schnell ( subjektiv ! )