Wirklichkeit

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Geschrieben von Winni
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Was ist eigentlich "Wirklichkeit" ?

Über diese Fragen haben schon kluge Menschen nachgedacht und es sind Bücher darüber geschrieben worden. Das hier soll kein weiteres Buch werden, sondern ich will über diesen Begriff nur kurz ein paar Ideen skizzieren und zum weiteren Nachdenken darüber anregen. Ist Wirklichkeit

das, was alle Menschen - oder zumindest die, die ich kenne – als real ansehen ?
Oder nur das, was ich selber als real ansehe ?
Oder gibt es eine objektive Wirklichkeit unabhängig von menschlichen Vorstellungen ?

Objektive Wirklichkeit unabhängig von menschlichen Vorstellungen ?

Fast erscheint mir schon diese Fragestellung jedenfalls für uns absurd: Wie kann ich als Mensch mir etwas denken „frei von menschlichen Vorstellungen" ?
Ich kann doch mein „Menschsein" nicht vorübergehend ablegen, mich mal eben in ET versetzen und diesen Begriff aus seiner Sicht betrachten. Versuche in dieser Richtung z.B. in der SF-Literatur stellen ja Außerirdische immer mit menschlichen Eigenschaften dar – nur : Haben sie die auch ? Und wenn ja, dann könnten ja selbst die nicht frei von „menschlichen" Vorstellungen denken !?
Ja selbst wenn ET nach eigenen uns fremden Vorstellungen Wirklichkeit sieht, ist das ja auch keine objektive, sondern eine außerirdische !
Im mich sehr interessierenden Buddhismus finde ich eine Antwort:
Wenn ich das Nirvana erreiche, also mich durch Meditation, Yoga usw. von allem Weltlichen frei gemacht habe, werde ich die Erkenntnis der absoluten Wirklichkeit erringen. Dort also wird von der Existenz einer objektiven = absoluten Wirklichkeit ausgegangen. Nur wir als Noch-Nicht-Erleuchtete können sie noch nicht erfassen.

Andererseits: Wenn wir uns von menschlichen Vorstellungen frei machen könnten, wären wir dann noch Menschen ? Erforderlich, noch Mensch zu sein wäre es wohl nicht, um objektive Wirklichkeit sehen zu können, denn wenn sie wirklich objektiv wahrnehmbar wäre, müßte ja jedes denkende Wesen – von welchem Stern auch immer – diese Wirklichkeit, weil objektiv, vollkommen gleich wahrnehmen. Dafür Voraussetzung aber wäre doch, daß die Wahrnehmungsmöglichkeiten ( sehen, hören, riechen, tasten usw.) vergleichbar wären.
Und die sind schon bei den Wesen auf der Erde sehr unterschiedlich.

Das heißt: Für mich als „Normalo" ist theoretisch nur mit Mühe der Begriff einer objektiven Wirklichkeit überhaupt denkbar, jedoch vom jetzigen Verständnis her praktisch nicht existent. Bleibt nur die Hoffnung, eines Tages die Erleuchtung zu erringen – dann wird Alles so einfach und selbstverständlich sein.

Wirklichkeit = was die Mehrheit der Menschen als real ansieht ?

So „Wirklichkeit" zu umschreiben erscheint mir schon einfacher zu verstehen.
Wenn z.B. die gesamte Wissenschaft und auch alle Menschen meiner näheren Umgebung sagen, die Erde sei eine Scheibe, dann übernehme ich diese Information als Tatsache und forme damit mein Weltbild.
Daß das objektiv nicht stimmt, weiß ja niemand, weshalb diese Vorstellung zu meiner Wirklichkeit wird. Und da ich selber dieses Weltbild aus eigener Kraft nicht ändern kann, wird es erst in Frage gestellt werden können, wenn es neue Erkenntnisse in der Wissenschaft gibt. Bis dahin wird für mich die Wirklichkeit tatsächlich das sein, was ich im Verein mit der Mehrheit der Menschen als real ansehe.
Es ist dies keine objektive = aus jeder Sichtweise heraus identische Wirklichkeit, sondern eine durch die Erkenntnisse der Menschheit geformte !
Damit kann ich leben, wobei es wünschenswert wäre, mir das Bewußtsein dieses Geformtseins zu erhalten und damit die Möglichkeit einer Änderung bei neuen Erkenntnissen offen zu halten.

Wirklichkeit = was ich selber als real ansehe ?

Und das ist gleichzeitig, was ich selber als real sehe:
Geprägt durch Erziehung ( durch Eltern, Schule, Freunde, Gesellschaft...) und Erfahrung ( Finger verbrennen am heißen Ofen....) sowie Übernahme theoretischen Wissens ( Erde = Scheibe) , das ich selber nicht überprüfen kann, forme ich mein Weltbild, das, was ich für „real" halte.
Meine Vorstellung von „Wirklichkeit" ist also eine rein subjektive ( ! ) , denn ich kann sie jederzeit durch Übernahme neuer Informationen, die ich für wahr halte, ändern !!
Und das gilt immer, außer für die objektive Wirklichkeit, wenn es sie denn gibt.
"Die Wirklichkeit, von der wir sprechen können, ist nie die Wirklichkeit an sich, sondern [...] eine von uns gestaltete Wirklichkeit." ( so Werner Heisenberg in Physik und Philosophie, S. Hirtzel, Stuttgart, 1959 )

Wenn ich keinen Denkfehler gemacht habe, bedeutet das doch:
Diese Wirklichkeit, die ich selber als real ansehe, „steht auf tönernen Füßen", soll heißen:
Als Orientierungshilfe im Leben kann ich mir das, was ich als Wirklichkeit bezeichne, selber aussuchen, mein Weltbild selber formen. Doch es gibt ständig neue Erkenntnisse. Deshalb will ich niemals vergessen, mein Weltbild offen zu halten, es nie als endgültig zu empfinden.

„ Meine Wirklichkeit" ist für mich hilfreich, aber subjektiv, und deshalb niemals der Weisheit letzter Schluß !